POTENTIALE UND FREIRÄUME VON KIRCHEN


Orte mit Anziehungskraft

Sieben Diplomarbeiten von Studierenden des Departements Architektur der ETH Zürich bilden den Ausgangspunkt für eine Diskussion zum Potential von Kirchenbauten. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit an den Professuren Silke Langenberg und Adam Caruso setzten sich die Absolvent:innen mit den Kirchen der Reformierten Kirchgemeinde Zürich auseinander. Unter dem Thema «Re-Form» erarbeiteten sie eine ausführliche Erhebung und Analyse unserer Kirchen und formulierten Thesen einer künftigen Nutzung für ausgewählte Standorte.

Die Veranstaltung nutzt die frischen Impulse der Arbeiten, um neue Aspekte in der Diskussion zum Potential von Kirchenbauten zu beleuchten. Der Dialog soll zu neuen Erkenntnissen führen und einem breiten Publikum als positive Anregung für zukünftige Orte mit Anziehungskraft dienen.

Anlässlich der Veranstaltung veröffentlicht die Reformierte Kirchgemeinde Zürich eine Broschüre zu ihren Kirchen, in welcher das recherchierte Material der ETH Absolvent:innen publiziert wird.

Ergänzend wird vor Ort eine Auswahl von Modellen sowie Bildern aus den Diplomarbeiten gezeigt, welche einen Eindruck über diezugrundeliegenden Überlegungen vermitteln. Weitere Informationen zu den reformierten Kirchen in der Stadt Zürich finden Sie auf unserer Website.

 

Cover

 

 

 

Programm

17 Uhr
Begrüssung und Einführung      Annelies Hegnauer
                                                  Präsidentin Kirchenpflege
                                                  Reformierte Kirchgemeinde Zürich

Einleitungsreferate                   

Architektur                                 Prof. Adam Caruso
                                                   Professur für Architektur und Konstruktion

Stadtentwicklung                        Anna Schindler
                                                   Direktorin Stadtentwicklung Zürich

Theologie                                    Pfarrer Roland Diethelm

        

Podiumsdiskussion

Referent:innen                          Stefan Gasser
                                                  Bereichsleiter Archäologie und Denkmalpflege
                                                  Amt für Städtebau, Zürich           

                                                  Eric Wuite und Friederike Merkel
                                                  Teilnehmende Diplomsemester ETH Zürich

                                                  Moderation: Michael Hauser
                                                  Ressortleiter Immobilien
                                                  Reformierte Kirchgemeinde Zürich

Podiums-Diskussion

 

 

 

Referat zu «Potentiale und Freiräume von Kirchen. Orte mit Anziehungskraft»

Roland Diethelm

Orte mit Anziehungskraft – so lautet der Untertitel der heutigen Veranstaltung, sind unsere Kirchengebäude. Orte mit Anziehungskraft – sie könnten noch mehr davon sein, würde man sie entwickeln und entfesseln. Um Potentiale und Freiräume von Kirchen soll es gehen. Denn mit der Anziehungskraft steht es eben doch nicht so gut. Die Rede von den notorisch leeren Kirchen verstehen wir in erster Linie als Mangel, als Aufgabe, sie wieder zu füllen.

Kirchen sind bauliche Hüllen für die Lebensäusserungen der christlichen Gemeinde. In erster Linie ist dies der Gottesdienst, die Versammlung der Gemeinde, Begegnung mit Gott und Zeugnis gegenüber der Gesellschaft. Zudem unterstützt die stoffliche Hülle als Symbolbau die unanschauliche Transzendenz. Dazu dienen Lichtführung, Raumkonzept, Akustik, Materialien. Es gibt eine historisch gewachsene, aber immer wieder erneuerbare architektonische Sprache des Sakralraums. Ein Gebäude wird «als Kirche erkannt», «verweist auf Gott.»

Die Nutzung von Kirchen ergibt dann theologisches Potential, wenn sie in ihrer ursprünglichen Funktion gestärkt werden. Kirchen sind Häuser Gottes und Häuser der Gemeinde. Die Nutzung beschreiben wir in den Dimensionen Funktionalität und Symbolkraft. Dies gilt für die dichtere Nutzung durch die bisherige oder eine neue Gemeinde, aber auch für Zusatznutzungen, erweiterte Nutzungen und in gewissem Sinne sogar für Umnutzungen.

Im Werkstattbericht «Häuser Gottes und der Gemeinde: Die Herausforderung eines teuren Erbes. Methodik zur gesamtheitlichen und nachhaltigen Entwicklung des Bauwerkbestandes der Evangelisch-reformierten Landeskirche und der Römisch-katholischen Körperschaft der Stadt Zürich» von 2012 heisst es zusammenfassend: «Reformwille, gesetzliche Rahmenbedingungen, Mitgliederentwicklung, unternutze Kirchen, veränderte und neue gesellschaftliche Bedürfnisse, sinkende Steuereinnahmen bei steigenden Liegenschaftskosten, die urban räumliche Entwicklung sowie die öffentliche Verantwortung der Kirchen in Bezug auf die Baukultur veranlassten die Stadtverbände der evangelisch-reformierten und der römisch-katholischen Kirchgemeinden zusammen mit der Stadt Zürich eine Gesamtbetrachtung der kirchlich genutzten Liegenschaften in Auftrag zu geben.

Der Bericht benennt als Gründe für den Entwicklungsbedarf nicht nur ökonomische Zwänge: die steigenden Kosten des Unterhalts und der Instandsetzung bzw die sinkenden Steuereinnahmen der Kirchen. Er nennt auch die moralischen Gründe – Unternutzung bis zu Leerstand in einem immer mehr verdichteten städtischen Gebäude-Nutzungs-Umfeld, Ansprüche der Nachbarschaften, das kulturelle Erbe.

Dem halte ich als erste konträre Maxime entgegen: Gerade der leere Raum ist ein theologisch höchst wichtiges Geschenk der christlichen Tradition an unsere Gesellschaft. Leerer Raum ist nicht an sich zu beheben, sondern zu pflegen und zu erhalten. Damit soll die Unternutzung kirchlicher Liegenschaften insgesamt nicht kaschiert werden. Wo leerer Raum eine transzendentale Spannung aufrechterhält, ist er zu stärken. Weniger heizen, weniger putzen, weniger reparieren und investieren wäre hier manchmal mehr Wert. Aber sind unsere Kirchen offen? Sind sie zugänglich, auch symbolisch, ideell? Sind sie Räume, die zum Beten einladen, zur Begegnung mit dem, was uns transzendiert?

Im erwähnten Bericht der Sakralraumkommission heisst es zum «Kirchlichen Potentialnutzen»:
«Im Grunde genommen entsteht die Bedeutung eines Raumes oder Gebäudes aus der Zuschreibung religiöser Qualitäten durch die ihn nutzenden Menschen. Diese Zuschreibung hängt in erster Linie mit den Erfahrungen der Menschen zusammen, welchen der Raum Geborgenheit bot: Taufen, Trauungen, Abdankungen, sonntägliche Versammlungen, Feiertage, offener Raum der Stille, des Andenkens, Erinnerungen an Familien und Freunde, an Höhen und Tiefen des eigenen Lebens und des Lebens einer Gemeinschaft.

Wahrscheinlich könnte die Bedeutung eines Kirchenraumes oder Kirchengebäudes erst durch seine Gefährdung und Infragestellung erkennbar werden, im öffentlichen und stillen Protest. Also schliessen wir alle Kirchen, um ihren Wert zu kennen. Soweit wollen wir es nicht kommen lassen müssen.

Hingegen kann heute gefragt und untersucht werden, welches Potential eine Baute dem kollektiven und individuellen Zuschreiben bietet. Der kirchliche Nutzen wird im Hinblick auf sein Potential untersucht, also nicht, wie der Raum momentan tatsächlich genutzt wird.

Wir können fragen, welche Transzendenzfähigkeit und welche Versammlungsqualität eine Kirche aufweist.

Die erste Fragestellung bezieht sich auf die Kirche als Haus Gottes. Sie fragt nach der Qualität der Baute hinsichtlich Transzendenz: Unterstützt die Baute den Verweis auf eine unsere Welt übersteigende, von wo anders herkommende Grösse? Ist sie als „Haus Gottes" erfahrbar?

Die zweite Fragestellung bezieht sich auf die Kirche als Haus der Gemeinde. Sie fragt nach der Qualität der Baute hinsichtlich Versammlung: Unterstützt die Baute die Versammlung der Gemeinde in den vier Dimensionen, in denen die Kirche ihren einen Auftrag erfüllt, abgebildet in den vier „Handlungsfeldern" der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat und der Sammlung der Gemeinde der Gläubigen unter diesem Wort?

Aufgrund des gemeinsamen Ursprungs beider Betrachtungsweisen überschneiden sich zu Recht beide Fragestellungen. Der Gottesdienst wird sowohl durch eine hohe spezifische Versammlungsqualität der Baute hinsichtlich Liturgie als auch durch einen hohen Wert in der Qualität des Parameters Transzendenz insgesamt unterstützt und ist insofern absichtlich von grossem Gewicht in der Beurteilung des kirchlichen Potentialnutzens.

Umgekehrt spielt die Auffassung vom Ineinander von Haus Gottes (nämlich des sich in der Gemeinde vergegenwärtigenden Gottes) und Haus der Gemeinde (nämlich der Gemeinde Gottes) eine Rolle bei der Bewertung der Qualität der Unterstützung der Transzendenz: Der Verweischarakter auf die Gemeinde ist Bestandteil der transzendentalen Kraft eines Gebäudes («Haus der Gemeinde Gottes").

Der Vorteil dieser Achsen-Aufteilung liegt darin, dass ein für das reformierte Verständnis schwer zu behauptender prinzipieller Unterschied zwischen sakralem und nicht-sakralem Bau nicht von vornherein nötig ist. Der Unterschied zwischen einem kirchlichen Zentrum, einem Saalgebäude und einer Kirche ist ein funktioneller, gradueller, gefühlter, kein prinzipieller oder à priori definierbarer. Gefragt werden kann aber nach der Unterstützung der kirchlichen Handlungen und dem Eindruck, den ein Gebäude auf den Besucher macht.

Ich komme zum ersten m. E. sehr gelungenen Beispiel, Nr. 6 «An unconditional Refuge» - Patrick Greber, zur Predigerkirche. Der leere Raum, qualifiziert durch den Begriff des Kirchenasyls, einen intermediären Raum, der öffentlich ist, aber nicht nach den allgemein gesellschaftlichen Spielregeln funktioniert und gerades deshalb eine wichtige Funktion in der Gesellschaft spielen kann. Dieser Raum wird mit der Zentralbibliothek verknüpft. Dazu muss die Nordseite der Kirche zum Platz durchlässig werden. Mich fasziniert diese Neuausrichtung des Raumes auch deshalb, weil sie das historische Raumkonzept des Predigerklosters, der Kirche und ihres Spitals aufnimmt.

Ich rege an, hier noch einen Schritt weiterzugehen: Raum zu entleeren und in der dicht genutzten Innenstadt freizumachen. Dazu könnte die Öffnung des Predigerchores helfen, welcher heute durch Einbauten der Zentralbibliothek verstellt ist. Der Chor war das Herzstück der Predigermönchsgemeinschaft und zeigte dies auch in seiner gotischen Architektursprache. Wer in die Kirche trat, wurde durch die Öffnung des Chores geradezu hinaufgezogen, himmelan. Dieser wertvollste Teil des Kirchengebäudes würde eine kleiner gewordene Gottesdienstgemeinde beherbergen und zugleich den Sakralraum stark aufwerten. Im Gegenzug würde der grosse Raum des Kirchenschiffes – der heutige Gottesdienstraum – frei für eine Nutzung im Sinne des Projektes: nicht kommerzieller Lebensraum, eine Art Zwischenraum zwischen dem kirchlichen Chor und der Strasse bzw Bibliothek mit entsprechend gemischter Nutzung. Eine Öffnung des Chores zum Schiff und zur Bibliothek hin würde die Lesbarkeit des Sakralraums Predigerkirche unerhört steigern, mehr intermediären öffentlichen Raum schaffen und wäre ein echter Entwicklungsschritt in der Zürcher Altstadt.

Es klingt vielleicht merkwürdig, dass ich für mehr Sakralraum plädiere, wo Sie hier eher Gedanken zur Abwicklung von Kirchenräumen erwartet hatten. In Deutschland sollen in den kommenden zehn Jahren an die 12000 Kirchen nicht mehr genutzt werden. In der Schweiz spreche man von einigen hundert, schreibt Eva Schäfer in ihrem Artikel «Sensible Sakralräume» 2021. Anders als in den Nachbarstaaten würden bei uns aber nicht so sehr profane Umnutzungen realisiert, sondern «erweiterte Kirchennutzungen» diskutiert. Auf der Homepage «Schweizer Kirchenbautag» finden wir denn auch zumindest in der Deutschschweiz bisher kaum wirklich zweckentfremdete Kirchen.  

Die Empfehlungen für die Umnutzung von Kirchen und von kirchlichen Zentren der Schweizer Bischofskonferenz aus dem Jahr 2006 versuchen abzuwägen, welche Funktionen für Kirchen und Gemeindezentren infrage kommen. Die Weitergabe eines Kirchengebäudes an andere Religionsgemeinschaften soll wegen der symbolischen Bedeutung unterbleiben, und auch ausschliesslich kommerzielle Nutzungen, die der christlichen Ethik widersprechen, stufen die Verfasser als ungeeignet ein. Die reformatorischen Kirchen gehen zwar davon aus, dass der Kirchenbau kein geweihter, also vom Alltagsleben getrennter Raum ist. Dennoch decken sich die Leitlinien für Umnutzungen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds – heute EKS – in weiten Teilen mit den katholischen Empfehlungen. Auch für die reformierten Kirchen steht fest, dass neue Verwendungen wenig geeignet sind, wenn sie den Symbolwert infrage stellen. Der Überantwortung an nichtchristliche Religionen steht der Evangelische Kirchenbund vorsichtig kritisch, jedoch nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Parallel zu diesen liturgisch-gottesdienstlichen Rahmenbedingungen bestehen in den einzelnen Kirchgemeinden unabhängig von der konfessionellen Zuordnung Wünsche, gemeindeeigene und kulturelle Veranstaltungen im Kirchenraum realisieren zu können, also eine breitere Nutzung des Raumes zu gewährleisten.

Was in Deutschland, beispielsweise in Berlin, oft anzutreffen ist, kann hierzulande etwa in der Stadtkirche St. Martin in Olten besichtigt werden. Der Einbau einer Teeküche und Toilette sowie eines Büroraums für das Gemeindesekretariat führt bisher auseinanderliegende Gemeindenutzungen aus verschiedenen Bauten in das sakrale Gebäude zusammen. Man nennt dies Rückführung von Nutzungen, die einstmals ausgelagert worden waren.

Dies führt mich zur zweiten Maxime: Rückführungen von verschiedenen Nutzungen der Gemeinde sind ein theologisch zu begrüssendes Motiv für Kirchenrenovationen, sofern sie die Nutzung nicht beeinträchtigen. Ist diese Zusatznutzung so zu haben, dass die ursprüngliche Grundnutzung als Kirchenraum davon nicht beeinträchtigt, sondern sogar gestärkt wird?

In gewissem Sinne kommen die Sakralräume auf diese Weise nahe an die Kirchenzentren der sechziger und siebziger Jahre heran. Die Projekte bewegen sich genau auf der Schiene des feststellbaren «Quartiernutzens» im erwähnten Bericht: «Generell sind sowohl der nichtkirchliche Nutzen als auch die identitätsstiftende Wirkung der meisten Kirchen bzw. Pfarreizentren in der Stadt Zürich hoch: Rund drei Viertel der Objekte liegen oberhalb des Mittelwertes.» «An Agora for Seebach» für die Anlage mit der Markuskirche oder «The Colours of Altstetin» für das Kirchenzentrum Altstetten mit den beiden Kirchen und dem Kirchgemeindehaus finden sicher bald geeignete Umsetzungsmöglichkeiten.

Warum ausgerechnet die Pauluskirche keine freundliche Behandlung gefunden hat? Ist sie doch gemäss unserer damaligen Einschätzung im Bericht als Sakralbau und Anlage architektonisch eine der wertvollsten Kirchen Zürichs. In der vorliegenden Studie kommt sie als prätentiös und nicht ins Quartier eingepasst schlecht weg. Ein Quartiernutzen ist in der Tat hier gerade nicht angezeigt. Die mit ihrem Raumvolumen kongruierenden anderen öffentlichen Gebäude, unter anderem der neue Kunsthaus-Annex, unterstehen diesem vernichtenden Urteil nicht. Festgestellt wird zwar, dass sich die Silhouette heute zugunsten der Kirche verändert hat, denn die Stadt ist ins Gigantische angewachsen. Die Pauluskirche hat aber von vorneherein als Sakralraum verloren, denn es kommt gar nicht zur Auseinandersetzung mit dieser Dimension. Die Kirche müsste Anschluss an eben die gezeigten Kultur-Institutionen finden und zugleich als Sakralraum erhalten bleiben. Dafür muss sie als Kirche in den gesamtstädtischen Horizont gebracht werden.

Was passiert, wenn ein Sakralraum als Sakralraum nicht nur erhalten, sondern potenziert wird? Ich komme zum zweiten sehr aussichtsreichen Beispiel, Nr. 3 «GLIMA» Eric Wuite, Kirche Enge. Er nimmt das Bedürfnis zweier Religionsgemeinschaften und den Charakter des Quartiers auf, dessen Symbolbau die Kirche Enge war – damals durchaus in Abgrenzung von dem jüdischen Charakter des Quartiers, aber mit ihnen verbunden in einer gemeinsamen architektonischen Sprache, was das Sakrale betrifft. (Gottfried Semper, der Lehrer des Architekten Alfred Friedrich Bluntschlis, baute sowohl Kirchen als auch Synagogen und sie sehen sich sehr ähnlich.) Die Grundidee lautet: lasst uns die christliche Kirche auch der liberalen jüdischen Gemeinde als Gottesdienstraum zur Verfügung stellen. Die einfache Anpassung der Gebetsrichtung, flexibel verstellbar für die christliche Ostung und die jüdische Ausrichtung auf Jerusalem sowie die weiteren «minimalistischen» Eingriffe würden einen hybriden Sakralraum schaffen und das Sakrale noch stärken: doppelt sakral sozusagen, würde die eine Ausrichtung die andere unterstreichen und bewusst machen.

Auch hier möchte ich einen Schritt weiter fantasieren: In Berlin entsteht auf dem Fundament der Petrikirche, der ältesten christlichen Gebetsstätte Berlins, das House of One. «Im House of One werden drei separate Gebetsräume - Synagoge, Kirche und Moschee - verbunden durch einen zentralen Raum der Begegnung, den Kuppelsaal. Das Haus ermöglicht es gleichermassen, sich zurückzuziehen und in der je eigenen Tradition zu beten wie einander zu begegnen, voneinander zu lernen und das Verbindende zu suchen.»

Auch in Abu Dhabi auf der arabischen Halbinsel ist kürzlich ein interreligiöses Zentrum für Juden, Christen und Muslime eingeweiht worden (siehe NZZ-Artikel vom 14.3.2023). Der Kronprinz hatte den Bau des „Abrahamic Family House“ beim Besuch von Papst Franziskus 2019 angekündigt. Auch es umfasst eine Moschee, eine Synagoge und eine Kirche als eigenständige Gebäude sowie ein gemeinsam zu nutzendes Bildungszentrum. Dieser Markstein auf dem Weg der Geschwisterlichkeit für Angehörige aller Religionen wendet sich ausdrücklich gegen Fanatismus, Extremismus und Gewalt im Namen Gottes.

Eine liberale muslimische Gemeinde könnte aus dem jüdisch-christlichen Hybrid der Bluntschli-Kirche Enge, dem weitherum sichtbaren Wahrzeichen des Quartiers auf dem Moränen-Hügel, ein wirkliches House of One, Zürichs «Abrahamic Family House» entstehen lassen. Zur Ausrichtung nach der aufgehenden Sonne und dem Tempelberg Jerusalems käme noch die Ausrichtung nach Makka hinzu. Der Sakralraum gewänne nicht nur durch die dreifache Ausrichtung, sondern würde auch theologisch einen kaum zu überschätzenden Schritt hin zu einer Koexistenz der drei Glaubensgemeinschaften des monotheistischen Glaubens bedeuten. Was mich aber auch schon an dem Hybrid «Kirche und Synagoge» fasziniert, ist die Entwicklung entlang der Stärke des ursprünglichen Sakralraums. Der Einbau des Alltags – Teeküche und Toilette, Gemeindebüro und Diakoniestation, Kinderhort und Nachhilfe-Unterricht – sind hoffnungsvolle und leicht zu realisierende Nutzungsverdichtungen. Ein echtes House of One, wie es ein evangelisch, mosaisch und quaranisch genutzter Gebetsraum wäre, in einer bestehenden sichtbaren symbolisch geladenen Kirche der Innenstadt würde die evangelische Kirche auch ideell auf einen Schlag wieder in die Mitte der Gesellschaft positionieren, nämlich in die Mitte der Fragestellungen unserer Zeit nach dem religiösen Frieden. Auch die Integration der Migrationsgemeinden in weiterhin landeskirchlich genutzte Kirchen böte genügend Projekte der Zukunft. Solche den Raum intensivierenden Zusatz-Nutzungen – man könnte von sakraler Verdichtung sprechen – verbinden die theologische Qualität der Gebäude mit den Bekenntnissen der Glaubensgemeinschaften: echtes theologisches Potential. Und nur die Kirchen können mit ihrem symbolischen Kapitel in ihrer eigenen Domäne diese Aufgabe leisten.

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