Die räumliche und gestalterische Wucht der Kirchensäle verdankt sich nicht ausschliesslich den hohen und eindrücklich konstruierten Bauvolumen, sondern sie wird auch stark von der Innenausstattung geprägt. Die Signifikanz gewisser Ausstattungselemente und Objekte wie des Abendmahltischs, der Kanzel oder ab dem 19. Jahrhundert der Orgel diktierte teilweise a priori die gesamte Planung der Kirche. Dabei sind die Grundrisse allesamt auf die Liturgiezone ausgerichtet. An zweiter Stelle steht das Kirchengestühl, das den Kirchgänger:innen gewidmet ist, und das den Saal regelrecht füllen kann. Dieses ist ebenfalls am Abendmahltisch und der Kanzel orientiert. Diese Bestandteile sind nur einige Beispiele dafür, wie die Innenausstattung die Baustruktur diktiert und umgekehrt.
Jedoch gab es keine allgemeingültigen Vorlagen und Prinzipien dazu, wie eine Kirche genau eingerichtet werden soll. Die verschiedenen ideologischen und stilistischen Strömungen widersprachen sich oft bezüglich der Art der Repräsentation und Dekoration einer Kirche. Dementsprechend wurde die Innenausstattung den unterschiedlichen Interpretationen angepasst. Währenddessen in einigen Kirchen die Symmetrie der Ausstattung den Raum diktiert, werden in moderneren Iterationen der Kirche neue Konfigurationen ausprobiert und entdeckt. Trotzdem sind wesentliche Gemeinsamkeiten vorhanden, welche die Ausnahmen umso auffälliger erscheinen lassen. Es folgt eine detaillierte Erkundigung und Übersicht der wichtigsten raumgestaltenden Ausstattungselemente, die selbstverständlich nicht isoliert voneinander im Raum stehen, sondern in engem Verhältnis und in ständiger Wechselwirkung zueinander stehen.
Nach dem Betreten der Kirche suchen sich die Kirchgänger:innen einen Platz aus, um dem Gottesdienst zu folgen. Dabei muss die Ausrichtung zum Ort der liturgischen Leitung (Kanzel oder Abendmahltisch) in Hinsicht auf die audiovisuelle Kommunikation optimal sein. Die Gemeinde will dabei nicht zu weit von der Pfarrperson entfernt sein. Deshalb ist das Kirchgestühl bis möglich weit vorn angeordnet. Wie diese optimale Ordnung aussieht und welche Art Möbel (Stuhl oder Bank) verwendet wird, hängt von der Grösse und der Grundrissform des Gebäudes ab.
In die Längsrichtung orientierte Kirchensäle sind ausschliesslich mit nach vorn gerichteten, rechteckigen Bänken ausgestattet. Diese sind in der Regel symmetrisch dimensioniert und lassen einen mittigen Gang frei, durch den die Zirkulation der Menschen erfolgt. In den älteren, kleineren Kirchen drückt sich das in Form von hölzernen Bänken aus, die bis zum Seitenrand gezogen werden. Diese Bänke besitzen oft eine Nische auf der Rückseite der Lehne, in der sich das Gesangsbuch für den Gottesdienst befindet. Es gibt auch Kirchen, in denen das Kirchengestühl nach demselben Prinzip angeordnet ist, jedoch mobile Stühle anstelle von immobilen Bänken verwendet werden (etwa in der Wasserkirche). Dies ermöglicht eine flexiblere Ausstattung des Raumes. Denn in den meisten Fällen sind Bankreihen entweder im Boden verankert oder so gross und schwer, dass sie nur mit grosser Mühe verschoben werden können.
Ab dem 19. Jahrhundert tauchen vermehrt Kirchen auf, die komplexere Grundrisse besitzen als nur ein reines Längsschiff. Der Typus der Kreuzkirchen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Zürich errichtet wurden, erfordert bei der Möblierung des Raumes eine andere Strategie. In den Kreuzkirchen können die Bankreihen nicht mehr parallel nach vorn ausgerichtet sein, denn so hätte die Gemeinde eine Wand im Blickfeld. In der Kirche Enge und in der Kreuzkirche Hottingen wurden deshalb in den Kreuzschiffen Bankreihen installiert, die in einem orthogonalen Winkel zum zentralen Gang stehen. Da die Kirchen immer grössere Dimensionen hatten, wurden auch die Bankreihen immer länger, daher wurde auf den Seiten Raum geschafft, sodass ein zusätzlicher Gang entstand. Darum wurden die Bänke nicht mehr bis zur Seitenwand gezogen, sondern standen frei im Kirchensaal. In Kirchen des 20. Jahrhunderts findet man öfters Grundrisse, die ausgeklügelter sind und angepasste Möblierungen benötigen. In der Markuskirche Seebach stehen die Bankreihen verwinkelt im oktogonalen Raum. Die mittlere Bankreihe ist mit einem Knick versehen und folgt dadurch der Fluchtlinie zwischen den Oktagon-Ecken und dem zentralen Abendmahltisch. Dadurch umklammern die Bänke die Liturgiezone.
Im 20. Jahrhundert tauchten streng geometrisch konstruierte Kirchengrundrisse auf. Die Kirche Glaubten und die Thomaskirche Im Gut haben strukturelle Ähnlichkeiten, indem sie kreisförmige Anordnungen und Elemente innerhalb eines rechteckigen Grundrisses besitzen. Dabei steht im Mittelpunkt dieser Kreise der Abendmahltisch, aus dem die Kirchenbänke und Stühle in konzentrischen Kreisen «wachsen».
Da die viele reformierten Kirchen auch Nebensäle und -räume besitzen und bei manchen selbst der Kirchensaal einem Mehrzweck dient, sind in allen Zürcher Kirchen improvisierte Möbelensembles aufzufinden. Ob eine Lounge mit weissen Ledersofas im Kirchensaal (Kirche Enge), ein Foyer mit Gartenmöbeln (Andreaskirche) oder eine mensaartige Einrichtung (Kirche Friesenberg): Diese Möbel stehen im Kontrast zu den ansonst rigiden und einheitlich entworfenen Kirchenbänken der Kirchensäle und deuten auf eine Veränderung der Nutzung hin.
Der Verkündungsort der reformierten Predigt
Der Ideologie der Reformation entsprechend, wurde die Nähe zwischen der Gemeinde und dem Prediger ausschlaggebend. Während in der katholischen Liturgie die Verkündigung von Gottes Wort aus der Distanz vorgetragen wurde (teilweise sogar mit einer physischen Abgrenzung zwischen Volk und Prediger), wurde bei der Planung von reformierten Kirchen die Kanzel ins Zentrum des Saales gerückt. Da die Predigt eine zentralle Rolle in der Kirche spielte, hatte die Position der Kanzel einen starken Einfluss auf die räumliche Anordnung des Kirchensaales.
In älteren Kirchen musste die Kanzel nach vorn gerückt werden, häufig wurde sie an den Flanken des Mittelschiffs angebracht. Dies sollte bewusst eine informelle Wirkung haben. Architekt Peter Meyer begründete die Notwendigkeit einer asymmetrischen Kanzel im Sinn des reformierten Gedankengutes wie folgt: «Die auf die Seite gestellte Kanzel bekommt etwas Unverbindliches und Bescheidenes. Der Prediger erhebt weniger den Anspruch auf apodiktische Unfehlbarkeit, wenn er von der Seite, als wenn er aus der monumentalen Mitte predigt.»
Dies ist jedoch nicht in jeder reformierten Kirche der Fall. In manchen Kirchen herrscht nach wie vor eine dominante Symmetrie, bei der sich die Kanzel im Zentrum des Saales befindet und der Abendmahltisch bzw. der Taufstein mittig davorsteht. Viele aus Holz oder Stein materialisierte Kanzeln weisen häufig detaillierte Dekorelemente auf, was vor allem bei den älteren und klassizistischen Kanzeln der Fall ist, während andere Kanzeln ungeschmückte und funktionalistische Innenraumelemente sind. In der reformierten Kirche herrschte immer wieder Uneinigkeiten bezüglich der Position und des Ausdrucks der Kanzel. Dementsprechend finden sich in Zürcher Kirchen viele unterschiedliche Arten von Kanzeln.
Ein Grundelement der Kanzel ist der mit einem Lesepult versehene Kanzelkorb. Etliche Kanzelkörbe stehen erhöht auf einem Fuss und sind nur von seitlichen oder versteckten Treppen aus zugänglich. Die Kanzel ist aber nicht nur als offenes Kabäuschen vorzufinden, sondern sie kann den Raum signifikant prägen, indem sie zur Empore erweitert wird oder grossflächig die Chorwand besetzt. Die erhöhte Position wird unterschiedlich begründet. Einerseits symbolisiert sie die Erhabenheit des Wort Gottes, obwohl der Prediger trotzdem der Kirchgemeinde nahe sein soll. Andererseits hat die Erhöhung akustische Gründe, denn so ist die Predigt besser hörbar, als wenn sie auf Augenhöhe vorgetragen wird. Die Gestaltung des Fusses, auf der die erhöhte Kanzel steht, variiert von einer schlanken, runden Holzsäule (Kirche Höngg) bis hin zu massiven steinernen kelchförmigen Stützen (Kirche Enge). Die Kanzel kann auch so an der Innenwand befestigt sein, dass sie keine Säule benötigt. Ausnahmslos jede Kanzel in den Zürcher reformierten Kirchen besitzt mindestens ein einstufiges Podest, das heisst, keine Kanzel befindet sich auf Fussbodenniveau.
Viele Kanzelkörbe werden durch ein (Vor-)Dach zusammengefasst. Da es früher keine Lautsprecher gab, musste eine Lösung für die Akustik gefunden werden. Dazu diente das Dächlein oberhalb der Kanzel, denn seine Decke verstärkte den Schall durch die Reflexion nach unten. Bei den kleineren alten Kirchen war dies allerdings nicht notwendig, da die am weitesten entfernten Kirchgänger:innen immer noch relativ nah zum Pfarrer sassen. In modernen Kirchen konnte auf das Dach verzichtet werden, da ein Mikrofon im Kanzelkorb und mehrere Lautsprecher im Kirchensaal das Problem der akustischen Verständlichkeit lösten. Mittlerweile sind fast alle Kanzeln, selbst diejenigen mit Überdachung, mit Mikrofonen besetzt.
Der Leib und das Brot Jesu Christi im Kirchsaal.
Das Abendmahl ist ein reformiertes Sakrament, das traditionellerweise im reformierten Gottesdienst vollzogen wird. Dabei bezieht sich die Eucharistie auf das letzte Abendmahl von Jesus Christus. In den reformierten Kirchen der Schweiz sind alle zum Abendmahl eingeladen, welche die Gemeinschaft zu Jesus und die Gemeinschaft in der Kirche suchen. Zum Sakrament gehört die Verteilung von Zelebrationshostien, die rituell vergeben und verspeist werden. Wird im Gottesdienst das Abendmahl gefeiert, geschieht die liturgische Leitung vom Abendmahltisch aus. Das Abendmahl wird jedoch in den reformierten Kirchen der Schweiz immer seltener gefeiert. Wird die Eucharistie nicht gefeiert, geschieht die liturgische Leitung ausschliesslich von der Kanzel aus, die meist in der Nähe des Abendmahltisches positioniert ist. Heute befinden sich auf dem Tisch häufig eine aufgeschlagene Bibel auf einem mit Mikrofon versehenen Buchhalter, Kerzenständer, Tücher sowie ein oder mehrere schlichte Blumengestecke – was bestätigt, dass das Sakrament des Abendmahls immer seltener gefeiert wird.
An der Stelle eines Tisches steht häufig ein steinerner Monolith, der mit Ornamenten verziert und mit einem Deckel versetzt ist und oft die Form eines Kelches aufweist. Dieser Gesteinsblock ist ein Taufstein, an welchem Säuglinge getauft und somit in die Kirche aufgenommen werden. Mit einem Deckel versehen, kann der Taufstein auch als Abendmahltisch fungieren. Wie die Kanzel sollen auch Abendmahltisch und Taufstein im Zentrum der versammelten Kirchgemeinde stehen. Zusammen mit der Kanzel bilden sie den Ort, von dem aus der reformierte Gottesdienst geführt wird.
Der Taufstein steht in Zürichs reformierten Kirchen ausnahmslos vor den Bankreihen und ist meist symmetrisch auf das Portal ausgerichtet. Die Bibel, die auf den meisten Tischen und Taufsteinen zu finden ist, liegt meistens permanent aufgeschlagen dort und kann von der Öffentlichkeit betrachtet werden.
Grundsätzlich sind Abendmahltische immobile, aus Beton oder Naturstein angefertigte, einzigartige Tische mit unterschiedlichen Ornamenten und Volumen. Dabei gibt es abgesehen von der zentralen Position beinahe keine ästhetische Kohärenz. Der Abendmahltisch kann eine antike Formensprache andeuten (Kirche St. Jakob), mit religiösen Reliefs und Symbolen ausgestattet sein (Thomaskirche Im Gut) oder aus einem abstrakten Betonvolumen bestehen (Kirche Balgrist). Falls kein Tisch vorhanden ist, gibt es einen mit Deckel versehenen Taufstein, der stets aus monolithischem Material – meist Naturstein – angefertigt ist. Der Taufstein ist oft mit Schriftzügen besetzt (Grossmünster und Kirche Enge) und häufig von zeremoniellen Stühlen umgeben (Kirche Schwamendingen). Solche monolithischen Taufsteine können fest im Boden verankert sein (Markuskirche Seebach); bei einer hypothetischen Entfernung würden sie einen strukturellen Schaden im Boden hinterlassen.
Eine populäre Materialisierung des Abendmahltisches ist massives Holz. Dabei steht das Möbel meist auf einer Anhöhe in der Mitte des Kirchensaales und kann auch auf einem kleineren Podest stehen (Zwinglihaus). Diese Massivholztische wirken wie ein Volumen, das fest im Baukörper der Kirche verankert ist. Vor allem in modernen Kirchen besitzt der Abendmahltisch eine etwas entspanntere und informelle Wirkung, indem er teils fast schon wie ein kommerzieller Holztisch aussieht (Kirche Saatlen). Solche Massivholztische können bei Bedarf verschoben werden und – neben ihrer Funktion als Abendmahltisch – theoretisch auch für andere Zwecke genutzt werden.
Die Quelle der monumentalen Klänge in der Kirche.
Nach der Reformation wurde die Orgel mit der Dekadenz der katholischen Kirche assoziiert. Über zwei Jahrhunderte lang blieb diese Haltung ein Konsens. Die Kirchen, die zu dieser Zeit (um-)gebaut wurden, verzichteten auf eine Orgel und deren zugehörige Empore. Erst im 18. Jahrhundert tauchen die ersten Orgeln in reformierten Bethäusern auf, sie wurden jedoch mit Skepsis und vielen Rahmenbedingungen implementiert. «Eine Orgel? Sie gilt seit der Reformation als papistisches Teufelsinstrument» – eine Einschätzung, an der Zürich länger festhält als alle anderen reformierten Stände.
Das Bethaus, das nach alten Kirchenordnungen keine Kirche ist, gestattet der Orgel einen Freiraum. 1763 erhält die Musikgesellschaft Fluntern durch ein Vermächtnis eine Hausorgel geschenkt, die im Bethaus mit dem Einverständnis des Rates aufgestellt wird, allerdings mit der Klausel, das Instrument während des Gottesdienstes nicht zu spielen.
Erst im Jahr 1839, mit dem Bau des klassizistischen Neumünsters, tauchte die Orgel wieder in einer reformierten Zürcher Kirche auf – was den Startschuss für die Selbstverständlichkeit der Orgel im reformierten Kirchenbau darstellte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden alle reformierte Kirchen allmählich ebenfalls mit Orgeln ausgestattet.
Mit der klassizistischen Formensprache und der Überspitzung von repräsentativer Räumlichkeit in der Neugotik und der Neurenaissance im Lauf des 19. Jahrhunderts boten die Orgel und ihre Empore eine zusätzliche Möglichkeit, den Kirchenraum noch imposanter zu gestalten. Dabei wurden Abendmahltisch, Kanzel und Orgel symmetrisch hintereinander im Chor angeordnet und bildeten schliesslich das klassische Dreierensemble der reformierten Kirchen dieser Zeit.
Während viele Kirchen diesem Trend folgten, wurde auch zunehmend hinterfragt, ob die Orgel eine solch exponierte Positionierung verdient hat. Die Ausstattung moderner Kirchen scheint dies zu beantworten. In Kirchenbauten der 1960er-Jahre, wie der Thomaskirche und der Andreaskirche, steht die Orgel auf einer über dem Eingang positionierten Empore und dominiert dadurch nicht das Blickfeld, das sich von den Kirchenbänken aus bietet.
In der Neuen Kirche Altstetten und der Kirche Letten ist die Orgel zwar vorn positioniert, jedoch asymmetrisch zur Seite der Liturgiezone und dadurch ebenfalls weniger exponiert. In der Alten Kirche Albisrieden ist die Orgel dreimal ersetzt worden, die erste war vorn, die zweite hinten und die dritte und aktuelle Orgel ist seitlich positioniert.