GESCHICHTE DER REFORMATION


Einleitung

Die Reformation verbreitete sich im frühen 16. Jahrhundert von den beiden Zentren Wittenberg und Zürich aus. Ihr Beginn wird traditionell auf 1517 datiert, als Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht haben soll.

Im Lauf des 16. Jahrhunderts breitete sich die Bewegung der Reformation in Europa immer weiter aus und beeinflusste die Kirchenarchitektur während der letzten fünf Jahrhunderte stetig.
 

Die reformierte und transformierte Kirche

Kirchen in soziale, evangelische Räume umwandeln (1523–1531)

Historischer Ablauf

Die Reformation vollzog sich in Zürich während einer kurzen Zeitspanne, vor allem zu Lebzeiten Huldrych Zwinglis, der 1519 zum Pfarrer des Grossmünsters ernannt wurde. Jedoch war sie das Produkt einer langen Bewegung innerhalb der katholischen Kirche, die ihren Ursprung im Grossen Abendländischen Schisma (Kirchenspaltung) von 1378 bis 1417 hatte.

Im Jahr 1517 begann Martin Luther den ersten theologischen Streit gegen die Grundsätze der römischen Kirche, als er seine 95 Thesen veröffentlichte. Nach seiner Exkommunikation (Bann) durch den Papst Leo X. im Jahr 1521 übersetzte er das Neue Testament ins Deutsche und beschäftigte sich mit den Prinzipien der Reformation sola fide sola scriptura (allein durch Glauben, allein durch die Schrift). Diese standen im Gegensatz zu den Grundsätzen der katholischen Kirche, die sich auf die traditionellen Auslegungen der Bibel, die Konzilien und das päpstliche Recht stützte.

Huldrych Zwingli (1484–1531) war stark vom Leben und Wirken Luthers beeinflusst und begann nach seiner Ernennung zum Pfarrer am Grossmünster dessen Prin-
zipien anzuwenden. Zwingli richtete sich insbesondere gegen die Frömmigkeit des Christentums, da im Evangelium nirgends die Rede von der Verehrung der Heiligen, dem Zölibat der Priester oder der Fastenzeit sei. Im März 1522 brach er die Fastenzeit ab und provozierte somit die Katholische Kirche. Danach verteidigte Zwingli die Reformation mit der Veröffentlichung von 67 Artikeln. Der Zürcher Stadtrat als Oberhaupt des Grossmünsters stellte sich schliesslich offiziell hinter die Reformation.

Im Jahr 1523 plädierte Zwingli für eine vollständige Abschaffung der Bildwerke wie Gemälde, Skulpturen und Kirchenfenster aus den Kirchen. Daraufhin erfolgte der Bildersturm sowohl in Zürich als auch in Wittenberg. In den folgenden Monaten kam es zu heftigen politischen Ereignissen wie die Abschaffung der Messe und des Zölibats, die Säkularisation von Klöstern und die Einführung einer geregelten Armenfürsorge. Danach setzte sich die Reformation in Zürich durch und begann sich von hier aus auszubreiten.

Im Jahr 1528 beschloss die Stadt Bern, die Reformation zu unterstützen. Andere Städte folgten bald darauf, was zu Spannungen in der Eidgenossenschaft führte. So kam es 1529 zum Ersten Kappelerkrieg und zwei Jahre später zum Zweiten Kappelerkrieg, den Zürich verlor. Zwingli starb auf dem Schlachtfeld. Dies führte zu einer territorialen Teilung zwischen reformierten Städten und katholischen Länderorten, aber auch zur endgültigen Etablierung Zürichs als reformierte Stadt.

Architektur der Reformation

Was die Reformation an theologischen, politischen und sozialen Umwälzungen mit sich brachte, lässt sich an der Kirchenarchitektur jener Zeit ablesen. Mit der Abschaffung des Heiligenkults wurde die Bedeutung des Kirchengebäudes ebenfalls neu gedacht. Der Gottesdienst wurde durch die Predigt ersetzt, in dem gemeinsam mit anderen ein biblischer Text mit Einsicht und Gehorsam angehört wurde. Dies sollte zum einzigen Zweck des Kirchenraums werden.

Einerseits wurden die Kirchen vor der Reformation nicht abgerissen und neu gebaut, sondern lediglich umgenutzt und umgestaltet, da das Kirchengebäude an sich von geringer Bedeutung war und nur als gemeinschaftlicher Versammlungsraum dienen sollte. Diese Umnutzung geschah weitgehend durch die Entfernung oder Zerstörung abgeschaffter Elemente wie Kapellen, Altäre und Heiligenbilder.

Andererseits wurde ein Kanzellettner gebaut, ein erhöhtes Podest, das im Bogen zwischen dem Kirchenschiff und dem Chorraum errichtet wurde. Von hier aus las der Pfarrer der versammelten Menge aus der Bibel vor. Durch diese Verbindung zwischen den ursprünglich getrennten Räumen wurde nun das Volk in die Liturgie einbezogen. Auf einer theologisch-konzeptuellen Ebene verringerte diesen Eingriff die Distanz zwischen Pfarrer und der versammelten Menge.

Zu solchen architektonischen Umgestaltungen kam es in Zürich vor allem im Grossmünster und im Fraumünster, aber auch in der Predigerkirche und im St. Peter.

             3.1 Grossmünster Chronik der Reformation
 
             3.1 Grossmünster Kanzellettner
 
            3.1 Zwinglis Kanzellettner 3
 
             3.1 Grossmünster Innenraum Johan Heinrich Meyer

 

Die ideale Kirche

Institutionalisierung und Verbreitung der Reformation (1531–1819)

Geschichtliche Fortsetzung

Als Heinrich Bullinger Zwingli als Pfarrer des Grossmünsters ablöste, machte er sich zum Ziel, die neu entstandene Reform in Zürich zu institutionalisieren. Diese Ziele waren nicht nur theologischer, sondern auch weltlicher Natur: Kontrolle der Bevölkerung, Bildung und Armenfürsorge.

Bullinger konsolidierte die Macht der reformierten Kirche in Zürich und begann, mit seinen Schriften ihren Einflussbereich zu erweitern. Seine 1557 veröffentlichten «Dekaden» (auch «Hausbuch» genannt) fanden sogar in England starke Verbreitung. Sein 1561 verfasstes Zweites Helvetisches Bekenntnis wurde 1566 von fast allen reformierten Kirchen der Schweiz angenommen und sogar von anderen Ländern übernommen. So formte die Reform die Stadt Zürich zu einem international bekannten geistigen Zentrum.

Ideale Kirchenarchitektur

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war man der Meinung, dass es keine weiteren Kirchen brauche, weil es keine Messe mehr gebe. Theoretisch konnte die Versammlung der Gläubigen an jedem beliebigen Ort stattfinden. In gewissem Sinne kann diese Zeit als eine «Rekatholisierung» der evangelischen Kirche verstanden werden. Die abgeschafften katholischen Dogmen wurden durch ein protestantisches Dogma ersetzt, das in den in dieser Zeit errichteten Kirchen seinen materiellen Ausdruck findet.

Die Kirchen, die in dieser Zeit gebaut wurden, strebten ein architektonisches Ideal an, das den theologischen und institutionellen Veränderungen gerecht wurde. Die umgebauten Kirchen suchten nach dem perfekten Material und Ausdruck. Sie wiesen eine Vielzahl von Prinzipien auf, die das protestantische Dogma unterstreichen — alle Kirchgänger:innen sollen sehen, hören und sprechen können. Diese zeigen sich im symmetrischen Grundriss, in der Empore und der Kanzel. Die Verkündigung des Wortes Gottes steht im Zentrum und der Heiligenkult wird abgelöst.

Ein Beispiel dafür ist die Kirche St. Peter, die im Jahr 1706 als erste protestantische Kirche der Stadt Zürich errichtet wurde. Das im Barockstil gebaute Kirchenschiff ersetzte die kleinere, gotische Kirche. Die Emporenhalle wurde mit weissen Stuckaturen, braunem Holzwerk und rötlichen Säulen dekoriert.

Die meisten Kirchen, die zu jener Zeit gebaut wurden, sind Pfarrkirchen in den Dörfern rund um die Stadt, wie in Seebach oder Altstetten. Die drei Stadtpfarrgemeinden kontrollierten diese Dorfkirchen, die wie Satelliten waren, um die Reformation geografisch besser zu verbreiten. Die im 18. Jahrhundert gebauten Bethäuser wurden meist in stadtnahen Orten gebaut, die später eigenständige Kirchgemeinden wurden.

           3.2 Kirchgeometrie David Vogel bearbeitet
 
             3.2 St Peter Stich
 

Die repräsentative Kirche

Kirchenbau als öffentliche Aufgabe (1819–1918)

Die Wende zum 20. Jahrhundert

Im Lauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die reformierte Kirche mit der Gründung des Schweizer Bundesstaates, welche die Einführung der individuellen Glaubensfreiheit, wirtschaftliche Entwicklungen und neue politische Strukturen mit sich brachte. Nach 1848 stiegen zum Ende des Jahrhunderts die Einwohnerzahlen in und um die Städte kontinuierlich an. Durch die erste Eingemeindung von 12 Vororten im Jahr 1893 wuchs Zürich über Nacht zur ersten Schweizer Gross-stadt. In dieser Zeit wurden das Stadtzentrum und die umliegenden Gemeinden neu- und umgebaut.

Dieses Verhältnis bewirkte nicht nur den Bau von mehr und grösseren Kirchen, sondern auch deren Charakter als repräsentative Bauten. Sie waren nicht nur als öffentliche Gebäude entworfen, sondern auch durch das Aufkommen von Architekturwettbewerben öffentlich ausgeschrieben. Die Architekten bildeten ihre persönlichen Paletten, die auf vergangene Stilepochen zurückgriffen und sie durchspielten. Diese Epoche des sogenannten Historismus prägte die Kirchen, welche um die Wende zum 20. Jahrhundert in den Stilen der Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance und später Neoklassizismus gebaut wurden.

Diese stilisierte Bauvorstellung der Kirchen hatte wenig mit den ursprünglichen Gedanken der Reformation zu tun. Folglich wurden Richtlinien definiert, um die wichtigsten Elemente des reformierten Kirchenbaus im Plan zu sichern wie das Wiesbadener Programm im Jahr 1891. Die Kirchen sollten als Versammlungshaus möglichst ohne mehrere Schiffe oder Chorteilung geprägt sein, die Liturgiezone mit Kanzel, Abendmahl und Orgel sollte axial ausgerichtet und zentriert im Raum stehen. So entstanden neue Typologien, vor allem der Typus der Kreuzkirche, die in Zürich zwischen 1894 und 1908 in Zürich starke Verbreitung fand.

Kirchenarchitektur des Historismus

Einerseits wurden die Altstadtkirchen neugestaltet oder erweitert wie das Grossmünster und das Fraumünster durch den Architekten Gustav Gull. Gulls Plan des Fraumünsters sah nicht nur eine Re-Gotisierung der Kirche vor, sondern auch den Ersatz des angebauten Klosters durch das Stadthaus. Die Umgestaltung und Erweiterung stellen nicht nur eine materielle Verbindung von Amts- und Kirchenbau her, sondern schaffen durch ihre Fassaden auch einen repräsentativen Ausdruck als öffentliche Bauten.

Andererseits wurden in den eingemeindeten Vororten der Stadt Zürich die älteren, kleineren, ehemaligen Dorfkirchen durch grössere, städtischere Gebäude ersetzt. Als Beispiel wurde im Jahr 1901 in der Gemeinde Aussersihl die Kirche St. Jakob neben dem alten Bethaus fertiggestellt, da dieses für die wachsende Bevölkerung zu klein geworden war. Wie die Kirchen Wipkingen und Enge übernahm die Kirche St. Jakob die Typologie der Kreuzkirche.

 

Umbau an der Fassade des Fraumünsters, 1895 Umbau an der Fassade des Fraumünsters, 1904 Umbau an der Fassade des Fraumünsters, 1912

             3.3 St. Jakob

 

Die funktionale Kirche

Rückkehr zum Ursprung des Christentums in Form von modernen Kirchenzentren (1918–1989)

Die neuen Aufgaben der Kirche

Für die Welt hätte der gesellschaftliche Wandel nicht extremer sein können als nach dem 1. Weltkrieg. Als Reaktion darauf wurde für die Schweiz und für die Kirche der Ruf als Friedensstifterin zu einem wesentlichen Teil ihrer Strategien. Während die reformierten Kirchen des 19. Jahrhunderts vorwiegend Staatskirchen waren, setzten sie nun verstärkt autonomer auf soziale Hilfe und Wiederaufbauarbeit. Diese Prinzipien fokussierten auf Einfachheit, Armut, soziale Zusammenkunft und Bildung, die zu den ursprünglichen Prinzipien des Christentums und auch der Reformation zurückzukehren scheinen.

Derweil nahm das Bevölkerungswachstum wie zuvor im 20. Jahrhundert exponentiell zu. Durch die zweite Eingemeindung von 1934 wuchs die Stadt Zürich und neue periphere Orte wurden verstädtert, unter anderem Altstetten, Oerlikon und Schwamendingen. Die dort neugebauten Kirchen mussten grösser sein, um die wachsende Zahl Kirchgänger:innen aufnehmen zu können und auch als Versammlungsort für die Gemeinde in den neuen Stadtquartieren zu dienen.

Die diakonischen Ansätze und urbanen Anforderungen schienen die Kirchenarchitektur zu den bescheidenen Ursprüngen der Kirche als Versammlungsort zurückzuführen und gleichzeitig neue Baumethoden anzustreben. Die übernommenen Stilformen der vergangenen Epochen wurden durch neue, schlichte Baustrukturen ersetzt. Somit wurden die Funktion und Nutzbarkeit des Gebäudes erfüllt, anstatt den Fokus auf Symmetrie und stilistische Elemente zu legen. Diese Kirchenzentren waren nicht nur grösser, sondern umfassten auch ein Gemeindehaus, Unterrichtsräume, eine Küche und einen grossen Platz. 

Moderner Kirchenbau

In diesen Kirchen der 1920er- bis 1980er-Jahre wurde den Architekten angelehnt an dieses präzises, theologisch bestimmtes Programm zur Umsetzung vorgegeben. Sie wurden als moderne, infrastrukturelle Bauten konzipiert, die nicht nur für den Gottesdienst gebraucht werden, sondern können auch für andere Nutzungen offen stehen. Ebenso wie die moderne Architekturbewegung international war, sollte sie verschiedene Nationen und Glaubensrichtungen zusammenbringen.

Beispiele für diese Kirchen sind die Kirchenzentren Altstetten, Albisrieden, Paulus und Hirzenbach. Die neue Kirche in Altstetten sollte ursprünglich die alte Kirche durch deren Abriss ersetzen, wurde aber aus Gründen des Denkmalschutzes daneben gebaut, so dass ein Platz auf dem Hügel entstand. Die neuen Kirchgemeindehäuser sind mit mobilen Trennwänden und einer kleinen Küche gebaut, um flexibel für verschiedene Anlässe genutzt werden zu können.

          Grundrisse
 

Aktuell

TRANSFORMATIONEN


Die Umwandlung der Kirchen im Lauf der Zeit wird sichtbar gemacht1

PROFANE UMNUTZUNGEN


Vergangene und aktuelle Umnutzungen zu nichtkirchlichen Zwecken1

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